Glasperlen und Nilpferdpeitsche

Dass Kamerun vor hundert Jahren eine deutsche Kolonie war, wie auch Namibia, Togo und Tansania, hat sich schon herumgesprochen. Dass auch Samoa in der Südsee und Tsingtau in China damals von Berlin aus regiert wurden, daran erinnert eine Ausstellung in der Hauptstadt. Wir haben sie uns am Ostersonntag angesehen und waren ein bisschen perplex.

Wir standen vor unzähligen Vitrinen und Texttafeln, Zinnfiguren und Sarotti-Bildern, Kaffeedosen und Postkarten, Spielzeugen und Fotoalben. Das Ganze erschien uns auf den ersten Blick etwas wimmelig und unübersichtlich.

Dabei war der deutsche Kolonialismus nur eine kleine Randerscheinung der Weltgeschichte, wie manche Historiker meinen, im Vergleich beispielsweise mit dem British Empire und seinem Riesenreich von Kanada über Afrika bis Indien und Australien. Und das auch nur für rund dreißig Jahre, denn mit dem Ersten Weltkrieg war es auch schon wieder vorbei mit dem deutschen „Platz an der Sonne“.

Dennoch: Das Kaiserreich hat mit seiner Kolonialpolitik Realitäten geschaffen, die bis heute nachwirken. In Berlin saßen die Außenminister der europäischen Großmächte zusammen und teilten Afrika unter sich auf wie einen Gegenstand, den sie beanspruchen könnten.

Bismarck führte den Vorsitz in dieser erlauchten Runde. Dass kein Afrikaner mit am Tisch saß, versteht sich von selbst. Die meisten der damals gezogenen Grenzlinien gelten bis heute.

So entstand auch Kamerun: ein künstliches Gebilde aus Strichen auf Papier, erschaffen auf einer Karte mithilfe von Lineal und Tinte, auf einem Tisch in Berlin.

Ein zeitgenössisches Bild zeigt die versammelten Herren bei den Verhandlungen ihrer Afrika-Konferenz anno 1884. Mit großen Augen schaut ein Afrikaner vom äußersten Bildrand aus den Kulissen auf das Geschehen.

Wie die Geschichte in Kamerun verlief, ist bekannt: Zuerst kamen die Händler und die Missionare, dann die Militärs und die Beamten aus dem „Mutterland“.

Was das für die afrikanische Bevölkerung bedeutete, versucht die Ausstellung laut Katalog in „Fragmenten“ zu vermitteln. „Sie wirft dabei die Frage auf, inwieweit die Perspektiven der Kolonisierten in der historischen Überlieferung berücksichtigt sind und inwiefern dies im Widerspruch steht zum schieren Umfang von Sammlungen und Archiven, die in der Kolonialzeit entstanden sind und die Machtverhältnisse stützten.“ Schade, dass dieser Versuch überaus textlastig und noch dazu in einer elitären Sprache unternommen wird. Kleiner Trost: Es werden zahlreiche Videos in Gebärdensprache angeboten, außerdem Taststationen und Texte in einfacher Sprache für Menschen mit Behinderung.

Wer sich aufmerksam umschaut, wird auf jeden Fall etwas entdecken, was berührt und anspricht, amüsiert oder erschreckt und damit das Thema persönlich aufschließt.

Ich hätte mir gewünscht, dass bestimmte Gegenstände mit starker Bedeutung und besonderer Symbolkraft plakativer herausgestellt würden. Passend fände ich zum Beispiel einen Beutel mit Glasperlen, mit denen mancher Handel „bezahlt“ wurde, und ein vielgebrauchtes „Züchtigungsmittel“ mit oftmals tödlichen Folgen: die Nilpferdpeitsche.

Deutsches Historisches Museum, Berlin: Deutscher Kolonialismus, Ausstellung, noch bis 14. Mai 2017.